Im Rückbau steckt tonnenweise Nachhaltigkeit

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München will klimaneutral werden. Michael Weiß, Fachausschussvorsitzender Recycling und Verwertung des deutschen Abbruchverbands, erzählt, wie das gehen könnte, und warum in der Baubranche noch sehr viel passieren muss.

01. Was genau macht ein Abbruchunternehmen?

Vereinfacht gesagt: Wir sorgen dafür, dass Gebäude, die keiner mehr braucht oder will, möglichst schnell und schadlos rückgebaut werden können. Wir nehmen alles genau unter die Lupe, suchen nach Schadstoffen, selektieren die enthaltenen Rohstoffe und kümmern uns um die Entsorgung anfallender Abfälle. Ein selektiver Rückbau erfolgt Step by Step.

 02. Welche Schritte sind beim Abbruch erforderlich?

Nachdem wird den Auftrag für den Rückbau erhalten haben, werden die oder das Gebäude entrümpelt. Das heißt, alle Einrichtungsgegenstände wie Tische, Stühle, Regale usw. werden entfernt. Danach beginnt die Entkernung und Schadstoffsanierung. Wir prüfen für den Bauherren dann zunächst, wo Schadstoffe enthalten sein könnten. Im Kleber des Bodenbelags oder der Fliesen etwa oder in den Wand- und Deckenanstrichen, in, in der Dämmung, im Holz im Dachstuhl oder wo auch immer. Durch Analysen wird alles verifiziert und wir als Abbruchunternehmen können die Materialien je nach Ergebnis der Untersuchungen dem Recycling, der Verwertung, oder der Beseitigung zuführen. Laienhaft ausgedrückt: Alles, was schadstoffbelastet ist, muss beseitigt werden.

03. Was könnte in einem Gebäude Wertvolles drin stecken?

Allein die vielen Kilometer Kabel, die in einem Bürogebäude verlegt worden sind, enthalten wertvolle Metalle, die zu 100% wiederverwendet werden. Auch Dachziegel aus Ton können nach einer Aufbereitung als Wasserspeichergranulat in Pflanzsubtraten verwendet werden. Beton aus Decken und Stützen sowie Ziegel aus Wänden können nach dem Recycling wieder als Sekundärbaustoffe im Straßen- und Hochbau verwendet werden. Da gibt es viel Potenzial.

04. Da sind Ihnen bestimmt schon einige spannende Dinge passiert!

Herausfordernd sind Abbruchprojekte mitten in der Stadt. Der Platz ist eng, die Häuser sind oft uralt und teilen sich die Außenwände. Planunterlagen sind oft nicht vorhanden. Bei einem Gebäude in der Kreuzstraße nahe dem Sendlinger Tor zum Beispiel wurden nur die unteren Stockwerte rückgebaut. Die oberen Stockwerke blieben voll in Betrieb und wurden nur saniert. Mit Hilfe einer Stahlkonstruktion konnte der Bestand erhalten und der Neubau letztlich untergebaut werden. Das war spektakulär.

Michael Weiß findet, die Politik sollte mehr zentrumsnahe Flächen für Recycling- und Aufbereitungszentren bereitstellen. Foto: Philipp Balunovic

05. München möchte bis 2035 klimaneutral werden. Wie soll das funktionieren?

Das ist leichter gesagt, als getan. Da ist der Weg noch weit. Die Baubranche ist von zu vielen Regularien betroffen, die den Gedanken der Kreislaufwirtschaft eher behindern als unterstützen. Dabei spielt im Baubereich die Musik! E-Autos & Co. sind in aller Munde und werden in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Bauprojekte weniger. Aber gerade eine Kreislaufführung von geeigneten mineralischen Baustoffen und eine ortsnahe Verwertung würden zu einer Verringerung der CO2-Emissionen führen und zum Klimaschutz beitragen.

06. Was müsste dafür getan werden?

Die Politik muss handeln. Zudem ist vieles ein Imageproblem: Recyclingstoffe gelten häufig als B-Ware, als Abfall, der günstig zu haben ist. Das ist aber nicht der Fall. Sekundärbaustoffe werden beispielsweise deutlich häufiger auf ihre Eigenschaften überprüft als Primärbaustoffe und weisen definierte bautechnische Eigenschaften auf. Hier müssen Vorurteile abgebaut werden.

07. Existieren bereits wegweisende Ansätze?

Manche Unternehmen sind da auf einem guten Weg. Die Firmengruppe Ettengruber etwa betreibt seit 30 Jahren über die Tochterfirma Süderde eine Bodenbörse. Hier werden Böden und Pflanzsubstrate hergestellt, die zum überwiegenden Teil aus Materialien bestehen, die wir auf eigenen Baustellen gewonnen haben. Hier besteht ein riesiges Potential, dass bei einer Unterstützung durch die Politik ein wesentlicher Betrag zum Ziel der Klimaneutralität 2035 beigetragen werden kann – etwa durch die Bereitstellung von zentrumsnahen Flächen für Recycling- und Aufbereitungszentren. Denn ortsnahes Recycling heißt auch weniger Fahrverkehr und somit weniger CO2-Ausstoß. So könnte praktikable Förderung der Kreislaufwirtschaft in Zukunft funktionieren.

Michael Weiß ist Fachausschussvorsitzender Recycling und Verwertung des deutschen Abbruchverbands. Foto: Philipp Balunovic

Carolin Fried

MINT-Redaktion