Grundsteinlegung für VINZENT 

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Das erste Holzhybrid im innerstädtischen München geht in die nächste Phase. Im Zelt neben der Baugrube wird über „möglichst viel Nachhaltigkeit“ geredet. Und gefeiert.

„Und jetzt kommen wir zum offiziellen Akt der heutigen Veranstaltung“, verkündet Alexander Sälzle und befüllt ein futuristisch anmutendes, längliches Objekt: die Zeitkapsel. Ein Zollstock und einige Münzen kommen hinein, zwei aktuelle Tageszeitungen, eine Broschüre des Holzhybrid-Ensembles VINZENT, ein Mini-Bauherr in Form einer Kunststoffpuppe und ein Tütchen Pflanzensamen. Die Kameras klicken, das Publikum applaudiert, die Kapsel wandert vom Projektleiter in die Hände von Richard Krause, dem Polier. Sie werde tagsdrauf ins Fundament einbetoniert, wie man erfährt. Eine traditionelle Handlung für ein zukunftsträchtiges Projekt. Ein Symbol für die Ewigkeit obendrein. Denn man hoffe natürlich, so Projektleiter Sälzle, dass die VINZENT-Kapsel in 10.000 Jahren den Neuanfang einer wegweisenden und nachhaltigen Bauweise symbolisieren wird – daher das Samentütchen.

v.l.n.r. Alexander Sälzle und Jürgen Schorn von Bauwerk und Richard Krause von Züblin bei der Befüllung der Zeitkapsel © Bauwerk
Womöglich wird die Zeitkapsel von VINZENT, dem ersten Holzhybrid im innerstädtischen München, zu einem sensationellen Ausgrabungsfund in ferner Zukunft? © Bauwerk

Viele sind gekommen, um am Vormittag des 14. Septembers 2022 im Festzelt neben der großen Baugrube die nächste Phase von VINZENT einzuläuten: Presse, Nachbarn, Bewohnerinnen und Bewohner in spe, Neuhausens Bezirksausschuss-Vorsitzende Anna Hanusch, Verantwortliche und Beteiligte wie Architekt Ludwig Wappner und Bauwerk-Chef Jürgen Schorn. Es gibt Frühstück und Mittagessen und eine große Portion Lob für das mutige Projekt. Mutig, weil die Zeiten nicht gerade ideal sind. Hohe Bodenpreise, viele Normen, die Corona-Krise – Themen wie diese legen Bauprojekten wie dem Holzhybrid VINZENT zahlreiche Steine in den Weg.

Die Zeiten sind schwierig, doch an Nachhaltigkeit soll es nicht mangeln

„Wir hätten auch ein konventionelles Gebäude planen können“, sagt Alexander Sälzle. Doch das sei nicht im Sinne von Bauwerk, dem Unternehmen, das visionär denkt und sich als Vorreiter in der innerstädtischen Immobilienentwicklung sieht. Seit eh und je wolle man nicht von der Stange arbeiten. Und beim Projekt VINZENT lege man besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit. Da ist es schon wieder, das Wort, um das keiner mehr herumkommt. Ecke Gabrielen-/Ruppertstraße – da sind sich alle Beteiligten einig – verwendet man es vorsichtig und ehrlich. „Möglichst nachhaltig“ lautet das Motto. Alles geht einfach nicht. So darf man etwa an vielen Stellen noch keinen R-Beton einsetzen. Auch die bereits erwähnten Normen und Vorgaben sind große Hemmnisse. Dänemark ist hier schon viel weiter, mutiger, innovativer. „Wir sollten uns vom Auflagenmüll befreien“, plädiert Ludwig Wappner, der verantwortliche Architekt.

Nachhaltiger Rückbau, Recycling von Baustoffen und Einsatz von nachhaltigen Materialien gehören beim Holzhybrid VINZENT zum Konzept © Ettengruber Firmengruppe

Die Herausforderungen sind also groß beim Projekt, das ein Meilenstein sein wird, ein Highlight im Quartier werden soll, eine besondere Atmosphäre vermitteln möchte. „Im Team kriegen wir das hin“, da ist sich Ludwig Wappner sicher. Auch Anna Hanusch, die grüne Bezirksausschussvorsitzende, hat lobende Worte zu sagen an diesem 14. September. Sie spricht von einer „Reparatur des Viertels“, wo in Kürze Menschen leben und arbeiten werden und ein einzigartiges Wohlgefühl erfahren sollen. Mit einer Fassade aus Holz, viel Grün an den Wänden und im Innenhof, Sharing-Konzepten. Eine richtige Oase mitten in der Stadt. Ein Vorreiter für neo-ökologische Neubauentwicklungen in München und Deutschland.

Rund 25 Prozent beträgt der Holzanteil. „Nur“, könnten Kritiker nun einwenden. Was bringt das schon. Es bringt sehr viel. Mit Holz kann man sortenrein arbeiten. Holz ist haptisch, ein nachwachsender Rohstoff, Holz riecht gut. „Hybrid bauen ist für mich die Zukunft“, betont Ludwig Wappner. Und es passt zu München, wo es ja eine alte Holztradition gibt. Wie in anderen Regionen natürlich, man denke an die schönen alten Fachwerkhäuser. Die Farbigkeit, wenn auch dezent beim VINZENT, soll eine Art Hommage daran sein.

Schönes, farbiges Holz und viel Grün. Rund 400 Arbeitsplätze im Holzhybrid VINZENT sind gegen Ende 2024 fertig. © Bauwerk

Darum ist das Holzhybrid VINZENT ein Meilenstein für München:

– Arbeitsplätze UND Wohnungen in einem Gebäude – ein Konzept der Zukunft
– erstes derartiges Projekt in innerstädtischer Lage
– Verbauung von überwiegend Fichtenholz aus regionalem Anbau
– verkürzte Bauzeit durch Holz
– Einsparung von 155 Tonnen Betonstahl und damit 75 Tonnen CO2 dank Faserbeton in der Bodenplatte
– Weniger Baulärm und -schmutz sowie zügiger Einbau dank Planung und Vorfertigung der Holzelemente im Werk von ZÜBLIN Timber in Aichach
– Holz (ca. 800 Kubikmeter) aus Deutschland und Europa
– dauerhafte Bindung von 800 Tonnen CO2
– „schwebendes“, funktionales, selbstversorgendes Pflanzensystem
– begrünter Innenhof mit Nutzpflanzen wie Obstbäumen, Kräutern und Blumen
– nachhaltige Ausstattung wie Echtholzparkett, Feinsteinzeug, Badewannen aus Stahl-Emaille
– Konzeption basierend auf dem grundlegenden Gedanken der Blauen Ökologie („… begreift Ökologie nicht als Zwang zum Verzicht, sondern als lustvolle Befreiung vom Zuviel.“ Matthias Horx), dem Megatrend des nächsten Jahrzehnts

Carolin Fried

MINT-Redaktion