Münchens wertvolle Böden

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Die 2. Stammstrecke, Straßenbau, riesige Baugruben – in unserer Stadt wird kräftig gebuddelt. Welche Geheimnisse und Möglichkeiten in unseren Böden stecken, weiß kaum jemand.

MINT hat beim Bodenexperten Peter Nickol von der Nickol & Partner AG nachgebohrt.

Zugegeben: Baustellen sind manchmal einfach nur nervig. Sie sind laut und staubig und behindern einen am flüssigen Weiterkommen. Zumindest, wenn man als Nachbar oder Passant damit konfrontiert wird. Blickt man jedoch hinter die Kulissen, stößt man auf interessante Details. Dass unsere Böden lebenswichtig sind etwa und dass sie voller Geheimnisse stecken. Dass nicht alles auf die Deponie muss, was bei Bauarbeiten herausgeschaufelt wird, und welche Bedeutung die Münchner Schotterebene hat. Boden ist spannend und faszinierend. Unendlich vorhanden ist er jedoch nicht.

Wo Münchens Boden rot leuchtet, stecken Ziegel drin. Verwendet werden kann er zum Beispiel gut für Substrate. Im Gespräch mit Micheal Weiß. (c) Philipp Balunovic

Jedes Stück Boden ist eigen- und einzigartig. Im Oberboden stecken auch organische Stoffe wie Humus. Aber auch Lebewesen, Luft und Wasser. Durch Gesteins-, Relief-, Klima- und Vegetationsbedingungen und die jeweilige Bodennutzung verändert sich Oberboden permanent. Boden verwittert, bildet Mineralien und zersetzt sich, verlagert sich, formt sich um, bildet Gefüge. Und das alles sehr langsam und in einem fortlaufenden und kontinuierlichen Prozess. Bis eine 30 Zentimeter tiefe Bodenschicht entsteht, kann das 1.000 bis 10.000 Jahre dauern.

Im Gespräch mit Peter Nickol.

Münchens Böden sind zu beneiden

Unter dem Oberboden ist viel Schotter. Schuld daran ist vor allem die Würm-Eiszeit. Aus dem Schmelzwasser der Alpenvorlandgletscher von damals ist die Münchner Schotterebene entstanden. Fast 50 Kilometer lang und bis zu 40 Kilometer breit ist sie. Im Stadtgebiet Münchens beträgt die Schotterschicht zwei bis 20 Meter. In den südlichen Randbereichen sogar bis zu 100 Meter. Das Wasser, das durch den eiszeitlichen Schotter sickert, wird durch eine darunter liegende tonreiche Schicht gestaut. Und da die Schotterschicht nach Norden hin dünner wird, nähert sich der Grundwasserspiegel im Norden des Stadtgebietes der Bodenoberfläche. Gut zu sehen ist das in den Niedermoorgebieten des Dachauer, Freisinger und Erdinger Mooses.

„Wir haben in München einen sehr guten, relativ unkomplizierten Baugrund. Nur das Grundwasser stellt uns manchmal vor Herausforderungen“, erzählt Peter Nickol. Der Geologe und Gutachter kennt sich aus in Sachen Böden. Seit 30 Jahren ist er mit seinem Team von Nickol & Partner AG auf Projekte in den Bereichen Umwelt, Geotechnik und Flächenrecycling spezialisiert. „Die Kiese der Schotterebene bilden ein Rohstofflager, für das wir überregionalbeneidet werden“, sagt er. Andererseits stecken im Kies auch einige Nachteile. Die Kiese sind wasserdurchlässig, können Verunreinigungen leicht ins Grundwasser abgeben und Regenwasser schlecht speichern. Künstlich hergestellter Boden mit recycelten Ziegeln wäre hier manchmal eine gute Alternative. Einsetzen könnte man ihn zum Beispiel in Baumgräben oder in künstlich geschaffenen Grünanlagen, wie das in der Bayernkaserne gemacht wird.

Und noch etwas sieht Nickol als problematisch: die Versiegelungen. In München sind fast 50 Prozent der Stadtfläche überbaut und versiegelt. Das bringt eine Reihe an Umweltproblemen mit sich. Flächen, die luftdicht überdeckt wurden, können kein Regenwasser mehr aufnehmen oderspeichern. Das Risiko örtlicher Überschwemmungen steigt also. Zudem heizen versiegelte Flächen gerade im Sommer die Luft zusätzlich auf und wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen geht verloren – oft für immer.

Michael Weiß in seinem Element: Das Gelände der ehemaligen Bayernkaserne ist ein Vorzeigeprojekt in Sachen Flächenrecycling. (c) Philipp Balunovic

Alles für den Boden: die Europäische Bodencharta und Recycling von Baustoffen

„Der Boden ist eines der kostbarsten Güter der Menschheit“, beginnt die Europäische Bodencharta. Sie wurde am 30. Mai1972 vom Europarat verabschiedet und legt in 12 Punkten fest, wie man mit Boden umgehen soll, um ihn zu schützen und sinnvoll zu bewirtschaften. In Deutschland gibt es seit 1998 noch ein Gesetz dazu. Laut BBodSchG müssen Böden vorschädlichen Veränderungen geschützt und Altlasten saniert werden. Im Grunde ist also alles geregelt. Nur hat es sich noch nicht überall herumgesprochen. „Beim Thema Bodenschutz sind wir schon ganz gut“, sagt Peter Nickol. Beim Thema Recycling von Baustoffen sieht er noch viel Potenzial. Gerade im Stadtbereich gibt es noch Entwicklungsmöglichkeiten. Hier könnte man durch das Aufbereiten und Wiederverwerten von Boden und alter Bausubstanz ein Rohstofflager direkt vor der Haustüre nutzen. Aus alt mach neu sozusagen. „Da liegt noch viel Arbeit vor uns“, so Nickol, „auch, weil wir bei den Bauherren die Möglichkeit der Wiederverwertung von Altbaustoffen viel mehr in den Fokus rücken müssen.“

Damit die Baugrube am Marienhof nicht mit Grundwasser vollläuft, mussten 95 Brunnen gebaut werden, um es umzuleiten. (c) Nickol & Partner

Das spannende Interview zum Thema Rückbau mit Michael Weiß, Fachausschussvorsitzendem „Recycling und Verwertung des deutschen Abbruchverbands“, finden Sie hier. 

 

Carolin Fried

MINT-Redaktion