Wo kommen die Lebensmittel her? Wie bereitet man sie zu? Was ist gesund für mich und fürs Klima? Fragen wie diese kommen in der Sarah Wiener Stiftung auf den Tisch. Mit ihren kostenfreien Bildungsprogrammen macht Sarah Wiener Ernährung zum nachhaltigen Erlebnis für Kinder.
Mit sanftem Lächeln aber fester Überzeugung betritt Sarah Wiener eine Kita. Die Kinder warten gespannt. Ihre kleinen Hände zittern vor Aufregung. Alles liegt bereit: Kochschürzen, Werkzeuge, Zutaten wie frisches Gemüse, Kräuter, Mehl… Fernab von industriell verarbeiteten Produkten und Zuckerbomben lernen hier Kinder etwas Wertvolles: Woher ihr Essen kommt, wie man es selbst zubereitet und warum eine gesunde Ernährung so wichtig ist. Alles ist erlaubt: schnuppern, anfassen, kosten, schütteln, fragen.
„Es ist mir ein Herzensanliegen, so vielen Kindern wie möglich erfahrbares Wissen über natürliche Lebensmittel und deren Ursprung mit auf ihren Lebensweg zu geben“, sagt Sarah Wiener. Im Jahr 2007 hat sie ihre Stiftung gegründet. Sinn und Zweck: qualitativ gesicherte, wirkungsorientierte Bildungsprogramme und -angebote entwickeln und organisieren. Zielgruppe sind pädagogische Fach- und Lehrkräfte, Mitarbeitende in Familienzentren, Bildungsakteure, Landwirte und Eltern. Für sie bietet die Stiftung kostenfreie Fortbildungen, Informationen und Materialien an, damit sie mit Kindern kochen, Lebensmittel zubereiten und sie beim Essenlernen begleiten. Denn richtig essen muss genauso gelernt werden, wie laufen, Zähne putzen, Rad fahren und noch viel mehr. Über 40 Menschen arbeiten im Team der Stiftung. Im Herbst 2023 gab es die Nationale Auszeichnung – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
 Neben Fortbildungen, Workshops, praxisnahen Bildungsmaterialien, interaktiven Lernangeboten, Webinaren und erprobten Rezepten bietet die Stiftung auch Tagesexkursionen für Kita-Gruppen zu Bio Bauernhöfen und verarbeitenden Bio-Betrieben in ganz Deutschland an. Um möglichst viel zu erreichen, setzt die Stiftung vor allem in den Einrichtungen an, wo alle Kinder von klein auf zusammenkommen: Kitas, Grundschulen und Horte etwa, aber auch außerschulische Lernorte und Familienzentren.
„Für Kinder ist eine ausgewogene Ernährung nicht nur eine Frage der Gesundheit, sondern auch der Zukunft“, betont Wiener immer wieder. Ihre Mission ist klar: weg von Fertigprodukten, hin zu frischen, regionalen Lebensmitteln. Für jedes Kind, unabhängig von sozialer Herkunft. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Respekt vor der Natur stehen ganz weit oben. Jedes Kind soll erkennen, wie sich unser Einkaufen und Essen auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Boden auswirkt. Durch Projekte wie Ich kann kochen! und Essen entdecken! wird praxisnahes Ernährungswissen vermittelt – ein Ansatz, der in Zeiten von Fast Food und Konsumüberfluss wichtiger ist denn je.
Sarah Wiener ist davon überzeugt, dass sich Kinder, die schon früh Kocherfahrungen sammeln, Geschmäcker ausprobieren, mit Genuss essen und die Herkunft unserer Lebensmittel kennenlernen, gesünder ernähren und gegenüber ihrer Umwelt nachhaltiger verhalten.
 Vier Fragen an Sarah Wiener
Welchen Stellenwert haben Klima- und Umweltschutz bei den Bildungsprogrammen der Sarah Wiener Stiftung?
Nachhaltig im Sinne von ressourcen- und umweltschonend zu essen und zu trinken, ermöglicht allen Kindern eine lebenswerte Zukunft. Die Klimakrise verschwindet ja nicht, nur weil sich kaum jemand drum kümmert. Wir haben die Möglichkeit, zu handeln: mit unserer Ernährung. Was und wo wir einkaufen – ob regional, saisonal und auch bio – und wie etwas verarbeitet wird, kann einen großen Unterschied machen. Mit einer vernünftigen Ernährung können wir die Artenvielfalt schützen, das Klima schonen und gleichzeitig auch etwas für unsere Gesundheit tun. All das erleben die Kinder in unseren Bildungsprogrammen, und das spiegelt sich auch in unseren köstlichen Rezepten wider.
 Gibt es Beispiele für einen besonders gut gelungenen Impact bei einem Ihrer Programme?
All unsere Bildungsangebote wer den von Anfang an überprüft, auch durch regelmäßige Befragungen der Teilnehmenden. Deren Erfahrungen zeigen großartige Erfolge: Kinder probieren eher selbst das Essen, das sie selbst gekocht haben. So schmeckt ihnen plötzlich auch Brokkoli. Besonders stolz bin ich auf die wissenschaftliche Evaluation unseres Programms Ich kann kochen!, der größten Ernährungsinitiative für Kita- und Grundschulkinder. Diese zeigt, dass Kinder nicht nur selbstständiger und sicherer in der Küche werden, sondern dass es auch präventiv und gesundheitsfördernd wirkt. Das freut mich natürlich sehr.
Erinnern Sie sich an eine außergewöhnliche oder skurrile Begegnung mit einem Kind oder Eltern?
Manchmal werden Fragen gestellt, die etwas traurig stimmen, weil sie weitverbreitet sind. Viele Kinder wissen nicht, dass Kartoffeln in der Erde wachsen oder dass Milch wirklich aus dem Euter der Kuh kommt. Ein besonders schönes Erlebnis war jedoch, als ein Erstklässler ganz selbstverständlich Petersilie perfekt mit dem Krallen griff schnitt. Die anderen Kinder in der Klasse bewunderten ihn, und er zeigte ihnen stolz seine Schneidetechnik. Dieser Moment in der Schulküche bleibt ihm und mir sicher unvergesslich.
Wie stellen Sie sich die Zukunft unserer Ernährung vor, speziell im Hinblick auf den Klimawandel?
Es gibt ein wünschenswertes und ein eher wahrscheinlicheres Szenario. Wünschenswert wäre, wenn wir erkennen, dass wir vielfältig und natürlich essen sollten – mehr bunt, mehr grün, weniger Fleisch, und dabei alle Teile des Tieres nutzen. Die Gefahr liegt in zunehmenden Wetterextremen, die zu Ernteausfällen führen, was Hungerprobleme verschärfen könnte. Wir brauchen vielfältige, dezentrale Anbausysteme und Netzwerke, die Krisen abfedern können.
Fotos: Sarah Wiener Stiftung | photothek