Als Münchens zweite Bürgermeisterin engagierte sich Katrin Habenschaden für „grüne Themen“. Jetzt ist sie Leiterin Nachhaltigkeit und Umwelt bei der Deutschen Bahn AG, setzt sich für die grüne Transformation und soziale Verantwortung ein und pendelt zwischen München und Berlin.
Vermissen Sie München?
Nein, denn ich bin ja sehr oft hier bei meiner Familie und schätze die Vorzüge unserer Stadt sogar wieder mehr. Den Wechsel zwischen München und Berlin finde ich großartig und eine Stadt neu zu entdecken, genieße ich sehr.
Ist Ihr jetziger Job eine Fortsetzung Ihrer Arbeit als Politikerin?
Auch als Bürgermeisterin habe ich das Dreieck aus Mobilität, Nachhaltigkeit und Wirtschaft verantwortet. Bei der Deutschen Bahn bin ich konzernweit tätig und für alle Produkte und Prozesse mitverantwortlich, die sich um das Thema Nachhaltigkeit drehen.
Was bedeutet Nachhaltigkeit bei der Deutschen Bahn?
Nachhaltigkeit ist ein stetiger Prozess in den vier großen Handlungsfeldern Klimaschutz, Ressourcenschutz, Naturschutz, Lärmschutz. Wir sprechen hier von der „grünen Transformation“. Auch
die soziale Verantwortung spielt eine Rolle, also Themen wie gutes Miteinander, Diversität, Verantwortung für Geschichte und Gesellschaft. Wir definieren uns nach den ESG*.
Was sind die Nachhaltigkeitsziele der DB?
Unser wichtigstes Ziel ist der Klimaschutz. Der größte Hebel ist dabei die stetige Erhöhung des Ökostrom-Anteils. Bis 2040 wollen wir klimaneutral sein.
Wie kann die Bahn ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen?
Wir verstehen Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Prozess, der alle Produkte, Dienstleistungen und Abläufe umfasst. Unsere Fortschritte zeigen sich ganz konkret zum Beispiel in unseren mehr als 150 „Das ist grün.“-Maßnahmen.
Welche Erfolge gab es in den letzten ein bis zwei Jahren?
Bereits seit 2018 sind Reisende im Fernverkehr in Deutschland mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs, auch in der S-Bahn in Hamburg und Berlin. Zudem werden seit Anfang 2025 alle Bahnhöfe, Instandhaltungswerke, Bürogebäude und Anlagen in Deutschland mit 100 Prozent Ökostrom versorgt. Bei DB Cargo sind alle Güterwagen umgerüstet auf Flüsterbremsen, was ein Gewinn in Sachen Lärmschutz ist.
Beim Ressourcenschutz wollen wir unsere hohe Recyclingquote bei über 95 Prozent halten. Und bei Bau und Instandhaltung setzen wir verstärkt auf Recyclingmaterial und nachwachsende Rohstoffe – zum Beispiel bei den Bahnhöfen in Haar und Zorneding.
Steht die DB gut da in Sachen Umwelt- und Klimaschutz?
Auf jeden Fall. Wir entsprechen dem 1,5-Grad-Ziel und damit dem Pariser Klimaabkommen. Das wurde uns erst im März durch die SBTi** bestätigt. Und von der weltweit tätigen gemeinnützigen Rating-Organisation CDP gab es Anfang des Jahres die Note A im Bereich Klima, was nicht viele Unternehmen erreichen.

Züge halten nicht ewig. Werden dann einfach neue angeschafft?
Wir beschaffen Züge, die ressourcenschonend hergestellt werden, achten auf nachwachsende und recyclingfähige Rohstoffe. Wichtig ist uns auch eine möglichst lange Haltbarkeit. Unsere ICEs haben eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren. Nach der Hälfte des Lebenszyklus erhalten sie ein Redesign, wobei das Zuginnere mit neuen Komponenten instandgesetzt wird – Sitze, energiesparendere LED-Beleuchtung, Einzelteile.
Spielen neue Technologien eine Rolle?
Wir nutzen 3D-Druck und betreiben mit dem DB Advanced TrainLab zwei Forschungszüge, wo neue Technologien wie autonomes Fahren oder alternative Kraftstoffe wie der Biokraftstoff HVO unter realen Bedingungen getestet werden. Die beiden TrainLabs sind fast wöchentlich in Deutschland unterwegs.
Die Bahn wird nicht komplett elektrifiziert?
Manche Strecken sind schwer zu elektrifizieren, weil das Gelände problematisch oder zu bergig ist.
Dafür braucht es umweltfreundliche Alternativen. Bereits jetzt wird Diesel durch HVO ersetzt, einen Kraftstoff, der aus biologischen Rest- und Abfallstoffen besteht und CO2-reduzierter unterwegs ist.
Gemeinsam mit Partnern arbeiten wir an Wasserstofftechnologie oder Batteriebetrieb.
Biodiversität ist auch ein wichtiges Thema. Was macht hier die Bahn?
Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, Umweltauswirkungen so klein wie möglich zu halten und Kompensationsmaßnahmen durchzuführen. Das genügt uns aber nicht. Deshalb haben wir eine Biodiversitätsstrategie entwickelt, arbeiten mit Umweltverbänden vor Ort eng zusammen, achten auf die jeweiligen Gegebenheiten und kooperieren seit vielen Jahren mit dem Bergwaldprojekt e.V.
Woher kommen die Ideen für mehr Nachhaltigkeit bei der DB?
Meistens von intern. Dank Anregungen aus den ICE-Werken statten wir jetzt zum Beispiel die großen, schweren Hallentore mit einer Sensorik aus, um Energie einzusparen. Auch von der Bordgastronomie kommen regelmäßig Impulse, sodass inzwischen „Fair Trade“-Heißgetränke angeboten werden, nachhaltige Mineralwasserflaschen, vegetarische und vegane Speisen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren?
Der intensive und vertrauensvolle Umgang mit unseren Partnern und Stakeholdern ist unerlässlich:
Politik, Mitarbeiter, Lieferanten, Umweltverbände, Wissenschaft, Wirtschaft, Fachöffentlichkeit. Nachhaltige und intermodale Mobilität, also eine nahtlose Reisekette von Tür zu Tür, geht nur gemeinsam.

Was bietet die Bahn an für eine nahtlose Reisekette?
Wir möchten zum Beispiel die klimafreundliche Anreise zu Flughäfen gewährleisten, etwa durch Rail & Fly. Immer mehr Menschen nutzen das auch. Im Jahr 2024 waren 1,1 Millionen Fluggäste vor und nach ihrem Flug mit unseren Zügen unterwegs, was ein Anstieg um rund vier Prozent ist. Zudem bieten wir mit Call a Bike über 13.000 Fahrräder in 80 Städten, die eine Anschlussmobilität sichern. Auch Lasten-Pedelecs stehen zur Verfügung.
Wie wird Bahnfahren noch attraktiver?
Durch Sprinter-ICEs beispielsweise, die große Städte sehr schnell miteinander verbinden. Oder durch mehr Nachtzüge, was wir durch Kooperationen mit anderen Bahnen, zum Beispiel mit der ÖBB, vorantreiben. Seit Kurzem gibt es eine Direktverbindung von Berlin nach Paris. Und es gibt wirklich günstige Angebote, die man eben nutzen muss.
Was ist Ihre Vision? Wie soll die Deutsche Bahn künftig sein?
Leistungsfähig, zuverlässig, nachhaltig. Das Rückgrat der Mobilitätswende. Die DB behält Nachhaltigkeit auch während ihres strukturellen Sanierungsprogramms S3 im Blick, mit dem wir die Bahn bis 2027 in den Bereichen Infrastruktur, Betrieb und Wirtschaftlichkeit zurück auf Kurs bringen.
* ESG steht für die Begriffe Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung). Dahinter verbergen sich Methoden von Regierungsorganisationen und Finanzinstituten, deren Ziel es ist, mit geeigneten Maßnahmen unsere Welt besser zu machen.
** Die Science Based Targets initiative (SBTi) ist eine internationale Initiative und ermöglicht es Unternehmen, Net-Zero-Ziele festzulegen, die auf den jüngsten Erkenntnissen der Klimawissenschaft basieren und somit zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens beitragen.
Fotos: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang / Dominic Dupont