Mit wie viel rezykliertem Material kann man sinnvollerweise ein Haus bauen und was sind die Effekte? Diese Frage beschäftigte einige neugierige Ingenieure und Architekten. Ein Modellvorhaben mit interessanten Ergebnissen.
Ein Designerhaus ist es nicht geworden. Das war auch gar nicht die Absicht. Architekt Oliver Stuke, Geschäftsführer der prpm ARCHITEKTEN + STADTPLANER GmbH, und Hans-Ulrich Möbius von der Ingenieurgesellschaft DMU Consult wollten lediglich ein Paper für ein typisches Wohngebäude erstellen, das zeigt, welche Teile genauso gut oder besser mit Recycling-Materialien errichtet werden können. Eine Art Referenz also für künftige nachhaltige Bauvorhaben. Ein Massenmodell mit einem üblichen Wohnungsmix. Die gute Nachricht: Rund zwei Drittel der Masse eines Gebäudes kann durch rezyklierte Gesteinskörnung ersetzt werden.
„Da standen wir also vor einigen Bergen an kleinen Steinchen und fragten uns: was tun damit“, erzählt Oliver Stuke von den Anfängen des Modellvorhabens. Diplom-Ingenieur Hans-Ullrich Möbius hatte Stuke zu einer Großbaustelle geholt. Genauer gesagt zu einer Art Ausgrabungsstätte. Die ehemaligen Gebäude und Straßen waren weg, noch verwendbares Material lag aufgeschüttet herum, bereit für eine Wiederverwendung. Mit Abbruch und Altlasten hatten beide bereits gemeinsam zu tun. Beim Verkehrszentrum des Deutschen Museums. Grundsatzfragen wie diese gehören seit Jahren zu ihrem Business: Wie gehen wir mit Ressourcen um? Wie kann man dem Kiesabbau entgegenwirken? Wie muss man ein Gebäude entwickeln, um möglichst viel R-Material einsetzen zu können?
„Wir stellten schnell fest, dass man von Anfang an Recycling-gerecht planen muss“, sagt Stuke und kommt auch gleich zu den Hemmnissen: „Zahlreiche Normen verhindern den uneingeschränkten Einsatz von etwa R-Beton.“ Bisher zumindest. Es gibt noch nicht genügend Erfahrungswerte in punkto Dauerhaftigkeit. Was man jedoch weiß: Je mehr rezyklierte Gesteinskörnung im Beton steckt, desto geringer wird die Belastbarkeit durch den Normengeber eingestuft. Ein Haus aus 100 Prozent recyceltem Beton würde also einstürzen? Nicht unbedingt. Möchte man Beton mit größeren Anteilen rezyklierter Gesteinskörnung verwenden, muss man das Tragwerk frühzeitig darauf ausrichten. Zudem kann durch ergänzende Prüfungen von Sachverständigen im Einzelfall von der Norm abgewichen werden. Genau das wurde beim Modellversuch berücksichtigt. Und siehe da: bei sehr vielen Bauteilen könnte so ein beträchtlicher Anteil durch recycelten Beton ersetzt werden.
Aber warum das Ganze überhaupt? Was bringt der Einsatz von R-Beton? „Zwei Aspekte spielen eine Rolle: der monetäre und der umweltspezifische“, konkretisiert Oliver Stuke. So könnten zwar zunächst höhere Kosten entstehen, wenn man auf Recycling-Material baut auf Grund von notwendigen Gutachten etwa. Langfristig relativieren sich jedoch die Kosten, da die Preise der Rohstoffe steigen werden. Zum Zweiten muss heutzutage dringend ans Klima gedacht werden. Daher auch die Berücksichtigung der CO2-Bilanzierung beim Modell. Auch im weiteren Sinne, denn Material, was schon da ist, muss nicht mit LkWs womöglich Hunderte von Kilometern durchs Land gefahren werden. Noch nachhaltiger ist es natürlich, Bestand stehen zu lassen. Außer, die Schadstoffbelastung von Bauteilen ist zu hoch.
Fazit: Abbruchmaterial hat unglaubliches Potenzial. Die Weiterverwendung schont die Ressourcen und wirkt der Luft- und Straßenverschmutzung entgegen, da es bereits am Ort des Einsatzes vorliegt. Oliver Stuke bringt es auf den Punkt: „Man sollte Dinge nicht herstellen und dann wieder wegwerfen, sondern Lösungen finden, um Vorhandenes einzusetzen. Ich kann nicht die Augen zumachen und hoffen, dass das irgendjemand anderes macht.“ In seinem Büro jedenfalls lautet die Devise mehr denn je: Verantwortung übernehmen und bei jedem Projekt verstärkt darauf achten, R-Materialien einzusetzen.